Jäger am Heidengraben

Jägerei am Heidengraben

Mit dem Jagen ist es wie mit dem Kochen“

Die Sonne geht langsam unter, auf der Wiese am Waldrand wird es dämmrig und still. Nur in den Bäumen raschelt es hin und wieder. Ein Reh tritt aus dem Gebüsch, weiter hinten ein Bock. Ralph Strähle ist ganz leise. Der Grabenstettener sitzt auf seinem Hochsitz, von dort oben hat er einen weiten Blick und kann die Tiere gut erkennen. Die Rehe, die er sieht, beobachtet er zum Teil schon seit Jahren. Ralph Strähle ist als Jäger für die gesamte Gemarkung Grabenstetten und Strohweiler verantwortlich.

Sommers wie winters sitzt Ralph Strähle von der frühen Dämmerung bis zum Einbruch der Nacht auf seinem Hochsitz, nicht immer derselbe natürlich – auf den rund 2000 Hektar seines Reviers, das zu einem Drittel aus Wald und zu zwei Dritteln aus Feldern und Wiesen besteht, stehen viele der meist roh zusammengezimmerten Unterstände. Einige hat Ralph Strähle überwiegend für sich reserviert, auf den anderen dürfen Jung- und Mitjäger sowie auch Jagdgäste sitzen, die den gelernten Koch bei der Jagd unterstützen.

„So ein Revier macht viel Arbeit. Gegen Mithilfe bekommen die Jungjäger ab und zu auch einen Abschuss“, sagt Ralph Strähle. Fast ein Dutzend junger Männer hat der erfahrene Jäger so unter seinen Fittichen, und die müssen auch ordentlich mit anpacken: Das Revier muss regelmäßig begangen werden, viele Felder müssen zum Schutz vor Wildfraß eingezäunt werden, die nicht eingezäunten Felder werden regelmäßig auf Schäden kontrolliert und im Winter muss das Wild gefüttert werden. „So lernen die Jungs das Handwerk. Es haben natürlich alle einen Jagdschein, aber mit dem Jagen ist es wie mit dem Kochen – das lernt man eben auch nicht nur aus einem Buch,“ sagt Ralph Strähle.

Die beiden Rehe haben sich mittlerweile wieder ins Dickicht zurückgezogen. Der Jäger packt seine „Fiep“, eine kleine Pfeife aus Holz, die die Lautäußerungen von Ricken nachahmt, aus der Tasche und versucht die Tiere wieder anzulocken. Glück hat er dabei nicht immer: „Manchmal sitze ich sechs oder sieben Abende, bis es klappt.“ Dabei hat er immer sein auf lautlos gestelltes Mobiltelefon über das er Kontakt zu den Jungjägern, die zeitgleich im Revier unterwegs sind, hält. Gemeldet wird von Zeit zu Zeit dann auch, wenn sich das Wild auf den vielen Felder mal wieder gütlich getan hat.

Ein Fest für den Schwarzkittel

„Wir Jäger sind in der Wildschadenspflicht, sprich, wird ein Feld zum Beispiel von einer Horde Wildschweine verwüstet, werde ich als zuständiger Jagdpächter zur Kasse gebeten“, sagt der Jäger. Und da die Landwirte mit Futtermais viel verdienen können, hat sich das Flurbild zu Ungunsten der Jäger gewandelt: „Früher, als hier alle noch Dreifelderwirtschaft betrieben haben, gab es nicht so viele Schäden“, bestätigt Ralph Strähle, dessen Vater und auch der Großvater schon Jäger waren. „Die vielen Maisfelder heutzutage sind ein Fest für den Schwarzkittel, da ist die Schadenspflicht sehr einseitig verteilt.“ Auch der Förster ist ein wichtiger Ansprechpartner. Für ihn spielt der Wald als wirtschaftlicher Faktor eine große Rolle, kommt es vermehrt zu Wildverbiss, beschwert sich der Förster beim Jäger. „Das ist hier auf der Vorderen Alb auch zunehmend ein Problem“, sagt Ralph Strähle. Denn durch die vielen Wanderer und Touristen traut sich das Wild oft nicht mehr zum äsen auf die Wiesen und knabbert die jungen Baumstämme an.

Mittlerweile hat sich ein großer Uhu in unmittelbarer Nähe zum Hochsitz auf einem Pfosten niedergelassen. Aufmerksam beobachtet das majestätische Tier die Gegend. „Ein weiterer Jagdkumpan. Allerdings ein sehr seltener, da habe auch ich noch nicht so oft einen in freier Wildbahn gesehen“, freut sich der Jäger. Plötzlich treten die beiden Rehe wieder aus dem Wald, allerdings ein gutes Stück weiter hinten. Ralph Strähle zückt erst sein Fernglas, dann legt er probeweise sein Gewehr an, lässt es aber unverrichteter Dinge wieder sinken: „Das sind gute 300 Meter, zu weit für einen Schuss.“ Aber für Ralph Strähle macht ein Abschuss nur Sinn, wenn er tödlich ist: „Das ist am wenigsten Stress für die Tiere.“ Aus diesem Grund ist er auch kein großer Fan von Treib- oder Drückjagden: „Die Tiere haben dann so viel Adrenalin im Blut, dass man es beim Verzehr merkt.“ Natürlich gelingt auch Ralph Strähle nicht immer der perfekte Schuss, aber mehr wie ins Dickicht zurück schleppen kann sich das Wild dann meist doch nicht mehr. In diesem Fall holt der Jäger seine „Hilde“, die junge Jagdhündin mit der feinen Nase hat noch alles gefunden. „Das Ziel sollte immer sein, dass das Wild nicht als letzten Blick einen Menschen sieht“, erklärt der Jäger seine Philosophie, „Das hat auch ein bisschen was mit Respekt zu tun.“

Es ist dunkel geworden, auch der Uhu ist verschwunden. Ralph Strähle packt seine Siebensachen zusammen und macht sich auf den Heimweg: „Der Bock war sowieso noch sehr jung, den kann man auch noch eine Weile stehen lassen,“ sagt der Jäger ohne Groll in der Stimme – er weiß, dass er das Tier vermutlich nicht zum letzten Mal gesehen hat.

Text: Kerstin Dannath