Zu Besuch bei Dr. Friedrich Schmid

Friedrich Schmid Sirchingen

Die Menschen leben heute in großer Hetze und Wortinflation“

In Stuttgart-Bad Cannstatt wurde der heute neunzigjährige Mann geboren. Vor fast 40 Jahren hat es den Theologen und Pädagogen Friedrich Schmid nach Sirchingen auf die Alb verschlagen. „Damals gab es im Dorf noch eine Wirtschaft und einen Laden“, erinnert er sich. „Einer russischen Ärztin habe ich meinen Atem zu verdanken“, beginnt Dr. Friedrich Schmid seine Erzählung aus vergangenen Jahrzehnten. „Sie hat mir, schwer verletzt, das Leben gerettet“, erinnert er sich an die persönliche Tragödie im Krieg. Er redet von „dunklen Tagen“, die seinen Schulkameraden und ihm 1939 in Urach „eine dramatische Schulzeit“ bescherten. „Ein Jahr vor dem Abitur bin ich mit 17 Jahren zum Heer gekommen“, erzählt er. „Mein Wunsch war es nie, ich danke Gott für mein heiles Leben“.

Große Begegnung

Studiert hat er später in Tübingen, Bonn und Basel. Zwei Semester sogar während des Kriegs, wie er hinzufügt. Als richtungsweisend, bezeichnet er rückblickend seine „große Begegnung“ mit Karl Barth, einem Schweizer evangelisch-reformierten Theologen, der aufgrund seines theologischen Gesamtwerkes auch als „Kirchenvater des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wird. „Schlussendlich komme ich über das Kriegserleben zur Theologie“, versichert er zusammenfassend und erinnert sich dabei an dutzende Schutzengel, die ihn in lebensbedrohlichen Minuten und Stunden begleiteten. „Ich habe verschiedene Wunder erlebt“, sinniert er nachdenklich. Nach einem dreijährigen Aufenthalt als wissenschaftlicher Assistent im Tübinger Stift und als tätiger Pfarrer in einem kleinen Dorf bei Heilbronn, verschlug es ihn nach Blaubeuren, wo er promovierte, und später nach Urach als Lehrer für die Fächer Deutsch und Religion. „Damals existierte noch ein Leistungskurs in Religion, den rund 20 Prozent der Schüler am Gymnasium belegten“, erinnert er sich.

Seinen Weg auf die Alb erklärt Schmid so: „Junge Familien wurden schon früher auf die Alb gelockt, es war einfach günstiger, dort oben zu bauen“. Geheiratet hat der leidenschaftliche Denker und Literaturfan vor 62 Jahren. Der vierfache Vater hat heute sieben Enkel und drei Urenkel. Gemeinsam mit seiner Frau, ist er in seinem Haus auf der Alb geblieben. Vor dem Altersheim habe es ihm immer gegraut. „Wir haben vorbildlich nette Nachbarn“, verrät er und weiß als alter Mensch, wovon er spricht. „Ich dachte nie, dass ich so alt werde“, schmunzelt er beiläufig.

Sirchinger helfen einander

Die (Grund-)Versorgung älter werdender Bürger in kleinen Teilorten der Alb wie Sirchingen, sieht er zunehmend als Problem an. Kirchlich sei man derweil gut versorgt, sagt der Theologe, der bereits Predigten und Gottesdienstvertretungen in Sirchingen gehalten hat. „Das schöne Dorfgemeinschaftshaus wird gut genutzt, das Vereinsleben ist intakt und der Posaunenchor hat starken Nachwuchs“, zählt er auf. Außerdem: „Sirchinger helfen einander“, hat Schmid über die Jahre persönlich erfahren.

Stets aktiv und „in guten Zeiten belastbar“, scheint Schmid sein ganzes Leben gewesen zu sein. „Bis zum 77. Lebensjahr habe ich jährlich ein bis zwei Studienfahrten in großer Gefolgschaft des Schwäbischen Heimatbundes und der Volkshochschule organisiert“. Bildungsreisen nach Tschechien, Malta, in den Osten von Deutschland oder Slowenien, seien es gewesen. „Da konnte ich alles brauchen, was ich je studiert habe“, lacht er. Informationsreiche Studienhefte hat er dafür selbst zusammengestellt und in vielen Arbeitsstunden von Hand auf die Maschine getippt. „Ich habe eine Vorliebe für Text- und Gedicht-interpretationen“, verrät er in diesem Zusammenhang noch. Zahlreiche Führungen in der Amanduskirche in Bad Urach und ein Buch nach der großen Renovierung des Gotteshauses, sind Schmid ebenfalls zu verdanken.

Sein Buch dokumentiert die Kunst- und Baugeschichte der stattlichen Kirche aus der schwäbischen Spätgotik, der Epoche des Grafen Eberhard im Bart. Scheint Schmid selbst keinen Wirbel um Titel und eigene Verdienste zu machen, erhascht man doch ein Leuchten in den Augen, als der Name „Primus Truber“ fällt. Würdigung für große Verdienste. Mit Schmids regem Zutun, hat ihm die Kurstadt im Ermstal durchaus das stattliche Denkmal des slowenischen Reformators im Stiftshof zu verdanken. Für seine Verdienste um die Erinnerung an Primus Truber und der deutsch – slowenischen Völkerfreundschaft wurde Schmid Anfang des Jahres vom slowenischen Generalkonsul Marco Vrevc mit einer Urkunde der Republik Slowenien ausgezeichnet.

Text & Fotografie: Patricia Kozjek
Fotografie Denkmal: PR